Pferde im Hochleistungssport

Pferde im Hochleistungssport - Wo Sport aufhört und Tierschutz relevant wird

Vor wenigen Wochen fand die Olympiade 2020 in Tokyo statt. Neben den Reitsportdisziplinen Dressur, Springen und Vielseitigkeit konnte man Pferde in einem weiteren Wettkampf sehen: Dem Modernen Fünfkampf. Dieser besteht aus einer Kombination der Disziplinen Pistolenschießen, Degenfechten, Schwimmen, Querfeldeinlauf und eben Springreiten.


Beim Springreiten muss der Athlet mit seinem Pferd, welches er 20 Minuten vor dem Wettkampf zugelost bekommt und vom Veranstalter zur Verfügung gestellt wird, einen Parcours mit 12 bis 15 Hindernissen absolvieren.


In den Focus rückte in diesem Jahr eine Athletin ganz besonders, welche mit dem ihr zugelosten Pferd so gar nicht zurecht kam – und offensichtlich auch umgekehrt. Nachdem das Pferd zunächst den Parcours nicht betreten wollte, verweigerte es schließlich vor den Hindernissen. Die sichtlich überforderte Reiterin, welche sich auf direktem Wege zu einer Goldmedaille befand und den Parcours lediglich vollständig absolvieren musste, brach in Tränen aus und setzte bei dem ebenfalls überforderten Pferd die Gerte ein, aufgefordert durch ihre Trainerin mit den Worten „Hau mal richtig drauf! Hau drauf!“. Die Trainerin hatte dabei dem Pferd mit der Faust in die Seite geboxt.


Schließlich wurde die Reiterin disqualifiziert. Nicht wegen ihres Verhaltens, sondern aufgrund ihrer vier Fehlversuche. Mittlerweile haben einige Organisationen, wie beispielsweise der Deutsche Tierschutzbund, juristische Schritte gegen Reiterin und Trainerin eingeleitet.


Seitdem stehen nicht nur der Moderne Fünfkampf, sondern vor allem auch die Regelungsgestaltung durch die Verantwortlichen und der Hochleistungsreitsport im Allgemeinen in Diskussion. Juristisch stellt sich jedoch – und dies nicht erst seit den Olympischen Spielen von Tokyo – die Frage, wann der Umgang mit Pferden tierschutzrelevant wird, also als Tierquälerei einzustufen ist.


Tierquälerei wird im Tierschutzgesetz (TierSchG) geregelt und unter Strafe gestellt. Genau genommen, in § 17 TierSchG. Bevor diese Norm näher betrachtet wird, lohnt sich jedoch zunächst ein Blick in § 1 TierSchG. Dort heißt es


1Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. 2Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“


Das Tierschutzgesetz beschreibt diese Verantwortung des Menschen recht eindeutig und verbietet beispielsweise gem. § 3 Abs. 1 TierSchG, einem Tier (außer in Notfällen) Leistungen abzuverlangen, denen es wegen seines Zustandes offensichtlich nicht gewachsen ist […]“.


Gemäß § 17 TierSchG wird darüber hinaus bestraft,

„wer

1.   ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder

2.   a.) einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden

b.)  oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden

zufügt.“


Grundsätzlich versteht man unter Tierquälerei also das Quälen, Misshandeln oder unnötige Töten von Tieren. Doch nicht jede Tierquälerei ist so offensichtlich, dass man sie direkt erkennt. Gerade im Pferdesport bleibt sie oft unerkannt.


Der Gattung Pferd wurde vor langer Zeit sein natürlicher Lebensraum genommen, die Freiheit. Dort, wo Pferde zu finden sind, ist auch der Mensch. Er setzt das Pferd ein für seine Bedürfnisse, ob in der Zucht oder im Sport – insbesondere im Hochleistungssport, aber auch im Freizeitsport. Daher liegt es auch in der Verantwortung des Menschen, das Pferd zu schützen.


Die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) hat daher neun ethische Grundsätze des Pferdefreundes veröffentlicht, wovon die Grundsätze Nr. 3, 7 und 8 gerade für den Pferdesport bedeutend sind:


Grundsatz Nr. 3: Der physischen wie psychischen Gesundheit des Pferdes ist unabhängig von seiner Nutzung oberste Bedeutung einzuräumen.


Grundsatz Nr. 7: Der Mensch, der gemeinsam mit dem Pferd Sport betreibt, hat sich und das ihm anvertraute Pferd einer Ausbildung zu unterziehen. Ziel jeder Ausbildung ist die größtmögliche Harmonie zwischen Mensch und Pferd.


Grundsatz Nr. 8: Nutzung des Pferdes im Leistungs- sowie im allgemeinen Reit-, Fahr- und Voltigiersport muss sich an seiner Veranlagung, seinem Leistungsvermögen und seiner Leistungsbereitschaft orientieren. Die Beeinflussung des Leistungsvermögens durch medikamentöse sowie nicht pferdegerechte Einwirkung des Menschen ist abzulehnen und muss geahndet werden.


Obwohl von der FN als Grundsätze dargestellt, werden diese in der Welt des Reitsports häufig missachtet.


Beispiele für tierschutzrelevanten Umgang mit Pferden und somit offiziell verboten, sind beispielsweise die Rollkur/Hyperflexion (gewolltes Herabziehen des Pferdekopfes mittels Zügeln in Richtung Brust), das Barren (im Augenblick des Absprungs des Pferdes am Hindernis wird dieses durch Schlagen einer harten Stange dazu gebracht, die Beine höher zu heben um einen Abwurf zu vermeiden; das sog. „Touchieren“, also Verwenden einer beispielsweise Handarbeitsgerte durch Pferdefachleute ist jedoch als Ausbildungsmethode anerkannt) oder das Blistern (die Haut des Pferdes wird am Kronrand über dem Huf mit einer Substanz eingerieben, die zu einer Entzündung führt, so dass das Anschlagen der Beine an der Stange schmerzt mit dem Ziel, dass das Pferd die Beine beim nächsten mal höher zieht).


So sind ebenfalls auch das Auspeitschen eines Pferdes mit der Gerte oder der unsachgemäße Einsatz von Sporen als Tierquälerei zu werten. Aber eben auch das Abverlangen von Leistungen, denen das Pferd dazu aufgrund seines Zustandes, beispielsweise aufgrund Panik, nicht gewachsen ist.


Inwiefern der oben genannten olympischen Athletin und ihrer Trainerin, aber auch dem Veranstalter im konkreten Fall ein solches vorsätzliches tierschutzrelevantes Verhalten angelastet wird, wird derzeit ermittelt und kontrovers diskutiert. Konsequenzen für den Pferdesport wird dieser Vorfall jedoch mit Sicherheit nach sich ziehen.


Haben Sie Fragen rund um das Thema Pferderecht? Dann kontaktieren Sie mich gerne zwecks einer umfassenden Beratung.


 

Lisa Adler-Malm
Rechtsanwältin


Beitrag veröffentlicht in: Pferde Rhein Main, Ausgabe September 2021


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